Ostern – der Stein ist weggewälzt

Ostern – der Stein ist weggewälzt

Als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß.

Markus 16, 1-4

Drei Frauen machen sich auf zum Grab Jesu. Sie wollen ihm die letzte Ehre erweisen. Wie es Brauch war wollen sie den Leichnam Jesu salben. Es war das letzte, das sie für ihn tun konnten. Es war Ausdruck ihrer Trauer. Wenigstens das wollten sie tun, wenn sie doch sonst machtlos gewesen waren und nichts mehr für ihn tun konnten.

Es ist schon bemerkenswert, dass die Frauen sich überhaupt aufmachen. Schließlich wissen sie, dass vor der Grabhöhle ein schwerer Stein lag, der die Höhle verschloss. Doch sie gehen trotzdem – in der Hoffnung, dass da schon jemand sein wird, der ihnen behilflich sein kann. Diese Zuversicht haben sie immerhin.

Der schwere Stein vor dem Grab Jesu – er ist für mich ein Sinnbild, was vielleicht wie ein schwerer Stein auf unserem Herzen liegt in dieser Zeit der Corona-Pandemie. Dieser Stein vor dem Grab Jesu ist für mich ein Symbol, für das, was es uns schwer macht in diesen Tagen. Der Stein ist ein Bild für das, was in uns sein mag an Trauer, an Befürchtungen und Ungewissheit.

Dieser Stein symbolisiert für mich auch Trennung. Die Frauen, die auf dem Weg zum Grab sind, fragen sich, wie sie diese Trennung überwinden können. Wieser Stein liegt ihnen im Weg. Er ist zu schwer, als dass sie ihn selbst überwinden und ihn aus dem Weg räumen könnten.

Getrennt sein und diese Trennung nicht überwinden können – das ist auch etwas, was wir an diesem Osterfest erleben. Wir sind getrennt, wenn wir nicht gemeinsam Gottesdienst feiern können. Wir sind getrennt von den Menschen, die wir gerne zu Ostern besuchen würden und mit denen wir schöne Stunden verbringen wollen – wie in früheren Zeiten. Wir wissen, dass das jetzt nicht möglich sein wird. Wir wissen auch, dass es unserem Schutz und dem Schutz unserer Mitmenschen dient, wenn wir Kontakte vermeiden. Der Stein liegt da und versperrt uns den Weg.

Noch in einer anderen Weise versperrt der Stein am Grab symbolisch den Weg. Der Stein verschließt das Grab, in das Jesus gelegt wurde. Mit ihm wurden die Hoffnungen derer gekreuzigt, die auf ihn vertrauten. Mit ihm wurden die Hoffnungen ins Grab gelegt, dass mit Jesus einer da ist, der denen, die auf ihn vertrauten, eine neue Zukunft eröffnet. An Jesus haben Menschen sehen und spüren dürfen, dass sie angenommen sind. Gott ganz nahe – die Hoffnung nahe, etwas zu spüren von Gott, mitten im ganz normalen Leben. Und jetzt? Ist diese Hoffnung begraben und hinter diesem Stein eingeschlossen, der den Weg versperrt und zu schwer ist?

Die Frauen gehen ihren Weg weiter – trotzdem. Sie gehen weiter, obwohl sie nicht wissen, wie sie diesen Stein überwinden sollen. Sie lassen sich nicht beirren von der Ungewissheit, ob sie überhaupt zu Jesus gelangen. Sie gehen weiter – und machen eine Entdeckung: Der Stein liegt da ja gar nicht mehr. Egal wie – aber der Stein ist weggewälzt.

Als sie dort an der offenen Grabeshöhle stehen – so erzählt uns die Bibel – ist da nicht mehr der leblose Körper Jesu. Einen Boten Gottes begegnen sie, der ihnen die Osterbotschaft bringt: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. So erzählt das Markusevangelium weiter.

Er ist auferstanden! – Das ist die Botschaft, die die Frauen mitnehmen dürfen. Das Leben hat gesiegt. Das Grab ist offen. Die Hoffnung ist nicht mehr begraben. Sie ist nicht mehr hinter einem schweren Stein eingeschlossen. Der Weg ist frei. Die Frauen bekommen sogleich auch noch einen Auftrag. Sie sollen diese Hoffnungsbotschaft den Jüngern bringen. Sie sollen ihnen das Wort der Hoffnung sagen, damit auch die Steine, die ihr Herz und ihre Gedanken schwer machen, weggewälzt werden. Die Frauen sollen es ihnen sagen, damit auch sie wieder freien Zugang zu der Hoffnung haben, die Jesus schenkt.

So wünsche ich uns an diesem Osterfest, an dem wir die Botschaft von Ostern nicht im Gottesdienst hören können und vieles uns die Hoffnung rauben will, dass wir uns die Botschaft der Hoffnung weitergeben – über die räumliche Trennung hinweg. Der Stein war weggewälzt. Der Weg zur Hoffnung und des Lebens war frei. Möge uns Gott selbst den Weg der Hoffnung neu eröffnen. Wie Gott in Jesus ganz in unsere Welt hineingegangen ist, möge er uns ganz erfüllen mit der Hoffnung, die von ihm kommt.

Ihr Pfarrer

Jens Arnold